Der Auftrag

Heiner Müller
Erinnerung an eine Revolution (1979)

Staatsschauspiel Hannover
15. März 1990

Inszenierung: Thomas Reichert
Bühnenbild und Kostüme: Nina Ritter
Dramaturgie: Jutta-Michaela Vogler

Antoine: Ernst-Erich Buder
Matrose: Alfred Kleinheinz
Frau: Christiane Ostermayer
Debuisson: Hans-Henning Heers
Erste Liebe: Elisabeth Rath
Galloudec: Peter Pankalla
Sasportas: Germain Wagner

Foto: Joachim Giesel

Kritik
Henning Rischbieter, 1990
All diese Spielchen, Flachsereien im und gegen den Müllerschen Text, durch die sich dieser «Macbeth» von der Einschüchterung durch den zeitgenössischen Klassiker forciert freimacht – so etwas gibt es nicht in Thomas Reicherts Inszenierung des «Auftrag». Die comichafte Bühne des Ballhofs hat die Ausstatterin Nina Ritter weitgehend leer gelassen, nur schwarz umhängt. Wenige Requisiten. 
Nachdenklich auslotender Nachvollzug des Textes (dem Untertitel «Erinnerung an eine Revolution» entsprechend). Im Zentrum: Henning Heers als Debuisson, der erst der Revolution zugelaufene, dann ihr sich entfremdende Pflanzer-Aristokraten-Sohn. Heers-Panamahut, weißes Leinenjackett und -weste, schwarze Hose, ein Herr aus den Vierzigern dieses Jahrhunderts lässt den Zuhörer am selbstkritischen Nachdenken der Figur über eine einstmals radikal entzündete, nun erloschene politische Passion auf eine Weise teilnehmen, die klärt, aber nicht simplifiziert, die die Zerklüftungen, Verwertungen einer Existenz einsichtig macht. 
Der Text rückt so in die Nähe der Reflexionen über Engagement und Desillusionierung, wie sie die Romanund Dramenfiguren teilten. Heers weiß, wovon er spricht, und er spricht und spielt so, daß man in den Prozeß seines Nachdenkens einbezogen (nicht: eingeschmolzen) wird . . .