Posada oder der große Coup im Hotel Ritz

Walter Serner
Ein Gaunerstück in drei Akten

Werkstatt Schiller Theater, Berlin
28. Januar 1982

Inszenierung: Thomas Reichert
Bühne: Georg Herold
Kostüme: Brigitte Dunkel
Dramaturgie: Klaus Völker

Perikles Graf Drakatos: Peter Matić
Kamilla Schlitten, seine Geliebte: Sabine Sinjen
Osvaldo Cabrera, gen. Posada: Ulrich Haß
Marie Hérault, gen. La Rousse: Barbara Frey
Petronila Ruiz, gen. Tam-Tam: Sona MacDonald
Felipe Menändez, gen. Lipe: Friedhelm Ptok
Daniäl Taquechel, gen. EI Caré: Rainer Pigulla
Natole Puller: Andreas Bißmeier
Nikolaus Esmanoff: Rainer Diekmann
Madr' Aurora: Edith Robbers
Geheimpolizist: Harald Baumgarten
Gast im »Romero«: Klaus Völker
1. Kokotte: Susanne Schappert
2. Kokotte: Kristine Upesleja
Kommissionär: Helmut Buchholz
Ein Mann: Paul Schmitz
Halbwüchsiger Junge: Oliver Kuppelmeier

Aufführungsrechte Verlag der Autoren, Frankfurt
 

Kritiken
1982
Im Cafe de Juan Lago Romero ist es Zeit für den ersten Aperitif. Hier meint man damit den Drink, der die nächsten vorbereitet. Irgendwo döst ein betrunkener Matrose vor sich hin. Eine gebückte Alte serviert Rotwein. Der Raum ist umstellt von mannshohen Leinwänden. Schemenhafte Gestalten sind darauf zu erkennen. Madr` Aurora, die Alte, bedient ihre Stammgäste. Die haben auf grünen Holzbänken Platz genommen. Sicher hat es hier im „Romero" früher einmal Stühle gegeben, doch dann ist man, nach der zweiten oder dritten Schlägerei, auf bruchfestes Mobiliar umgestiegen. Da sitzen sie: Marie Herault alias „La Rousse“, mit Kriegsbemalung und kaltem Peseta-Blick, hier auch bekannt als „Die tote Marie“, weil sie schon zweimal niedergeschossen wurde; Menendez, der zerknitterte Dandy und Tequechel, ein zerrissener älterer Herumtreiber mit jiddischem Akzent. Die Stimmung ist gereizt, offensichtlich geht es um ein Spiel mit hohem Einsatz. Tequechel rekapituliert: „La Rousse geht ins Ritz. Um eins Uhr. Um eins Uhr zwanzig ich. Wartet Lipe auf mich. Bis eins Uhr fünfundvierzig. Gesetzt nicht klappt es: So zerrissen wird Kurszettel. Neben die Portierloge. Und alles – alivia, alivia! Klappt es, so. Wissen wir ja längstalles" unterbricht Felipe „Lipe“ Menendez. „Aber La Rousse, es erweckt nicht gerade Vertrauen, wenn man einem vakanten Chauffeur ein Taxa zufährt“. Das ist Kritik an der Planung. Marie fährt auf: „Chiottes! Primo ist es ein Privatauto. Und secundo hat er doch nur zu warten.“ Tequechel ergänzt: „Und terzo. Ihm könnte sagen. Es ist Agnoszierung von Hochverrat." „Am besten wäre Agnosziemng eines Ehebruchs.“ „Flasflas“ wischt Marie die Einwände weg . . .

Michael Merschmeier
«Posada oder der große Coup im Hotel Ritz» in Berlin, 1982
«Drama, Tragödie, Komödie: die Klemme spitzt sich zu, spießt sich und erregt im Publikum die dumpfe Vermutung, daß ein Kino wohl doch das beste zweite Dessert sei (mangels Poussagen).» (Serner, Letzte Lockerung)
Dennoch: Walter Serner schrieb ein Theaterstück – «Posada oder der große Coup im Hotel Ritz». Einmal aufgeführt als Matineevorstellung im «Neuen Theater am Zoo» 1927, produziert vom skandalträchtigen und neuigkeitensüchtigen Jo Lhermann; der hatte schon zuvor Jahnn und später Musil («Schwärmer) herausgebracht, dabei verstümmelt und für lange Zeit vernichtet. Auch für Serner lauter Verrisse, ein Anlaß, das Stück zu überarbeiten: es wird neu aufgelegt mit Kürzungsvorschlägen des Autors. 
Nach 55 Jahren allerdings folgt erst die nächste (die erste!) Inszenierung von «Posada» in einer nochmals vom Regisseur Thomas Reichert und vom Dramaturgen Klaus Völker veränderten Version in der Werkstatt des Berliner Schillertheaters. Warum so lang keine Aufführung, warum gibt es sie grad jetzt?
«Trage dich stets mit Projekten. Eines Tages führst du plötzlich eines aus, das, fast ohne dein Wissen, in dir gereift ist. » (Serner, Letzte Lockerung)
Es ist richtig, wenn an großen Theatern Stücke ausprobiert werden, die etwas abseitig(er) erscheinen und – ver meintlich – nur wenige zu amüsieren vermögen. «Posada» ist bislang immer ausverkauft – denn es gibt in den letzten Jahren eine langsam einsetzende, sich jetzt merklich verstärkende «Serner-Renaissance» . . .